Deutsche An- oder Abwesenheit(?) in Brasilien heute
* Dr. Antônio Hohlfeldt
Als 1974/1975 das 150jährige Jubiläum der deutschen und das 100jährige Jubiläum der italienischen Einwanderung in Brasilien gefeiert wurde, genoß das Ansehen der deutschen Kultur hier einen sehr hohen Stellenwert. Die Bedeutung der Germanen wurde in literarischen Werken festgehalten, von Autoren wie Vianna Moog in „Um rio imita o Reno“ (Ein Fluß macht es dem Rhein nach) oder Erico Veríssimo im ersten Band von „O tempo e o vento“ (Die Zeit und der Wind). Im gleichen Jahr begann Josué Guimarães seine Sage „A ferro e fogo“ (Mit Feuer und Eisen), die im wesentlichen von den Umwandlungen handelte, denen kleine deutsche Handwerksbetriebe ausgesetzt waren, woraus sich die heutigen Großindustrien entwickelt haben.
Des weiteren erkannte Rio Grande do Sul den kulturellen Beitrag der Deutschen, insbesondere der „Brummer“ an, so geschehen durch Erzählungen und journalistische Arbeiten von Carlos Jansen, dem Direktor unserer ersten Literaturzeitschrift, der auch die Märchen der Gebrüder Grimm gleich nach deren Herausgabe im Ursprungsland übersetzte, sowie Karl von Koseritz, Autor der „Kalender“, der mehrere Jahrzehnte lang das Bild von Rio Grande do Sul, und hierbei nicht nur der sich hier niedergelassenen Deutschen, darstellte.
Deutsche Namen sind eng verbunden mit Büchereien und Verlagen, wie z.B. Selbach und Rotermund, der eine in Porto Alegre, der andere in São Leopoldo. Von den Italienern gab es wenig zu sagen. Zig Studien befaßten sich mit der Wertschätzung des germanischen Einflusses, dies auch durch Autoren anderer Herkunft, wie z.B. Jean Roche mit seiner Pionierstudie. Alles in allem stellten Bücher über die Italiener eher eine Seltenheit dar.
Jetzt, nur 30 Jahre später, da wir auf die 180 Jahre der deutschen und 150 Jahre der italienischen Einwanderung zugehen, haben sich die Dinge drastisch geändert. Die italienische Kultur geht mit großen Schritten voran und belegt viele Lebensbereiche, wohingegen die deutsche Kultur zurückgeht und mitunter ganz verschwindet. Wenn in früheren Zeiten ein Nachkomme von Italienern sich schämte, sich als solcher erkennen zu geben, und auch seine Herkunftssprache nicht kannte, so hat heutzutage der „Véneto-Dialekt“ die Staatsbürgerschaft erobert, belegt zig Radiosender sowohl in Porto Alegre wie im Landesinnern von Rio Grande do Sul, erscheint auf Hunderten von Tageszeitungsseiten, sogar ein Wörterbuch ist herausgekommen. Im Gegensatz dazu ist das Deutsche nahezu am Verschwinden. Der Hunsrück-Dialekt wird von immer weniger Leuten gesprochen, vor allem hauptsächlich nur von älteren, und hat sogar in deutschen Siedlungsgebieten das Nachsehen, wo Italienisch in Sonderkursen unterrichtet wird.
Sicherlich war es die Universität von Caixas do Sul, die auf dem Gebiet der italienischen Kultur Pionierarbeit geleistet hat. Die italienische Kultur hat ihr negatives Erbe hinter sich gelassen. Dieses war von den ersten Einwanderergruppen, nahezu alle Analphabeten, welche noch weitere Generationen von Analphabeten erzeugten, hinterlassen worden, zumal es in den italienischen Siedlungsgebieten, im Gegensatz zu den deutschen, keine Pfarrer oder Lehrer gab, die ihnen hätten helfen können. Bei den Deutschen dagegen half die Symbiose zwischen Pfarrer und Volksschullehrer, die Sprache und Kultur beizubehalten. Auch war der große Unterschied in der Sprache, der die Gemeinde isolierte, mit ein Punkt, wodurch das Weiterbestehen dieser Traditionen sichergestellt wurde.
Heute gibt es zu Hunderten Monographien, die sich mit der italienischen Kolonisation befassen, Dokumente von Einwanderern, von Pionieren gegründete Gemeinden usw., wogegen jetzt die deutsche Tradition ihre Identität zu verschleiern scheint.
Die von Seiten Deutschlands auferlegten komplizierten Bedingungen für den Erwerb der Staatsangehörigkeit trugen sicherlich dazu bei, den Abstand zu vergrößern; insbesondere wenn man im Vergleich dazu die Einstellung Italiens sieht, das Nachkommen bis zum dritten Grad anlockt und den Erwerb der Staatsangehörigkeit erleichtert.
Auch ist festzustellen, daß – während Italien die Entsendung von Chören, Orchestern, Tanzgruppen und Gemeindevertretern vermehrt und so die Städte einander näher bringt, bis hin zu Partnerstädten – Deutschland dem lateinamerikanischen Kontinent den Rücken zukehren zu scheint. Dabei war es schon sehr mit ihm verbunden, man erinnere sich an die Expeditionen von Spix und Martius oder an die Anwesenheit von Humboldt, deren Einflüsse unbestreitbar und festverwurzelt sind. Deutschland scheint nach dem Fall der Berliner Mauer nur noch die Kraft zur Rückeroberung der verlorenen Söhne zu haben. Es hat zwar weiter Annäherungspolitik zu Asien und Afrika betrieben, jedoch aufgrund der großen kulturellen Unterschiede mit spärlichem Erfolg. Im Gegensatz dazu gibt es in Lateinamerika, von Mexiko über Brasilien, Peru, bis Chile, Argentinien, Paraguay und Uruguay, deutsche Bevölkerungsgruppen, welche sich für die Annäherung einsetzen, welche ein Bild geschaffen haben, das jede Investition, die Deutschland in diesem Bereich tätigen könnte, bei weitem überragt, die aber unterstützt werden müssen, damit sie sich nicht auflösen.
Auch die beiderseitigen Beziehungen in den Bereichen Literatur, Musik und darstellende Kunst, früher stärker vorhanden, stellen heutzutage ein eher brachliegendes Feld dar. Eine Buchmesse wie die von Frankfurt müßte unbedingt auf der Buchmesse von Porto Alegre, der größten des Landes, vertreten sein; nicht um Werke zu verkaufen, die dann übersetzt werden, sondern um die deutsche Kultur und das deutsche Bild zu verbreiten, um so mehr, wenn ein so bedeutendes Jubiläum wie das im Jahre 2004 gefeiert wird.
Während die deutschen Kulturzentren zurückgehen, wie die traditionellen
„25. Juli“-Kulturzentren, von denen nur noch die in Porto Alegre und Erechim übrig geblieben sind, nimmt die Zahl der italienischen Kulturinstitute mit Namen wie „Dante Alighieri“ zu.
Ein ähnliches Phänomen habe ich schon bei der französischen Kultur beobachtet. Die Verantwortlichen maßen den französisch-brasilianischen Kulturzentren, den Trägern der Alliance-Française-Instituten, nicht genug Wert bei, worauf es heutzutage diese Institute praktisch nicht mehr gibt.
Wenn erst einmal der Rückwärtstrend eingesetzt hat, kann er nur schwerlich gestoppt bzw. der verlorene Boden wieder aufgeholt werden. Aus diesem Grund sorge ich mich über die offensichtliche Gleichgültigkeit der deutschen Behörden hinsichtlich ihrer Präsenz bei uns. Als Nachkomme von Deutschen (Österreichern), wenn auch schon in vierter Generation, bin ich stolz darauf und ich möchte mich nicht, wie etwa ein Waisenkind, allein gelassen fühlen durch die Abwesenheit oder Vernachlässigung jener, welche das Land vertreten, aus dem meine Vorfahren gekommen sind und dessen Kultur – insbesondere die Werte der Zivilisation - ich ausdrücklich fortzusetzen versuche.
*Antonio Hohlfeldt ist Doktor der Geisteswissenschaften der Universität UFRGS, Dozent an der Universität PUCRS in Porto Alegre, Mitglied des deutschen Kulturvereins 25. Juli, Autor von Essays über Literatur und Theorie der Kommunikation und Vize-Gouverneur (2003-2007) des Staates Rio Grande do Sul
Quelle: Der Autor per e-Mail
Anmerkung der Brasil Alemanha Online Redaktion: Diese realistisch-kritische Stellungnahme des Autors enstand aus einem Gespräch mit dem Leiter des Goethe Instituts-Inter Nationes in Porto Alegre, Herrn Reinhard Sauer, der ihm darauhin bat, seine Gedanken schriftlich niederzulegen.
Die Veröffentlichung des Artikels hier bei Brasil Alemanha Online wurde vom Autor persönlich freigegeben. Die Gedanken sollten uns Deutsch-Brasilianern bei den Vorbereitungen der vielen Festlichkeiten zu den 180. Jahresfeier (1824 - 25. Juli - 2004) zu vielartigen Folgerungen anregen.
Die Redaktion
Hohlfeldt: Presença ou ausência(?) alemã nos 180 anos -27/04/2003
Quando, em 1974/75, comemoraram-se o sesquicentenário da imigração alemã e o centenário da chegada dos italianos ao Brasil, o prestígio cultural alemão era enorme entre nós. Havia a tradição da importância dos germânicos fixada na letra de forma da literatura, através de romancistas como o Vianna Moog de “Um rio imita o Reno” ou Érico Veríssimo do primeiro volune de “O Tempo e o vento”. Naquele mesmo ano, Josué Guimarães dava início à saga de “A ferro e fogo”, que fixava centralmente sua atenção a respeito das transformações que os pequenos artesãos alemães acabariam por sofrer, vindo a instituir as grandes indústrias de hoje.
Mais que isso, o Rio Grande do Sul reconhecia a contribuição cultural dos alemães, em especial dos “Brummer”, através dos contos e do jornalismo de Carlos Jansen, diretor de nossa primeira revista literária e tradutor, dentre outros, dos contos dos Irmãos Grimm, logo após suas edições no país de origem, tanto quanto de Karl von Koseritz, autor dos “Kalender” que, durante muitas décadas, embalou o imaginário sul-rio-grandense, e não só dos alemães aqui radicados.
Nomes alemães se ligavam a livrarias e editoras, como a Selbach e a Rotermund, a primeira em Porto Alegre e a outra em São Leopoldo. Dos italianos, pouca coisa se tinha a dizer. Dezenas de estudos se multiplicavam em torno da valorização da influência germânica, inclusive por autores de outras origens, como o pioneiro estudo de Jean Roche. Eram escassos, contudo, os livros sobre os italianos.
Passados tão somente 30 anos, quando chegamos aos 180 anos de colonização germânica e aos 150 anos da presença italiana entre nós, as coisas mudaram radicalmente. A cultura italiana avança celeremente e ocupa espaços, enquanto a cultura germânica recua e, às vezes, até desaparece. Se o descendente de italianos antes tinha vergonha de se declarar como tal e desconhecia seu idioma, hoje o “dialeto vêneto” conquistou cidadania, ocupa dezenas de emissoras de rádio, na capital e no interior, aparece em centenas de páginas de jornal, e até chegou à edição de um dicionário. O alemão, ao contrário, quase desaparece. O “dialeto hunsrück” tem cada vez menos cultores, sobrando quase somente falantes mais idosos. E perde até mesmo em regiões de colonização germânica, onde o italiano já é ensinado em cursos especiais.
O trabalho pioneiro no campo da cultura italiana foi na UCS – Universidade de Caxias do Sul, com toda a certeza, que conseguiu ultrapassar a negativa herança deixada pelos primeiros grupos de imigrantes, quase todos analfabetos e que geraram mais outras gerações de analfabetos, na medida em que as colônias italianas, ao contrário das alemãs, não tinham padres nem professores para auxiliá-las. Quanto aos alemães, a simbiose entre o pastor religioso e o professor de primeiras letras ajudou a guardar o idioma e a cultura. Também a forte diferença de idioma, isolando a comunidade, garantiu a permanência dessas tradições.
Hoje, centenas – literalmente, centenas, sem nenhuma força de expressão - de monografias abordam a colonização italiana, documentos dos imigrantes, municípios fundados pelos pioneiros etc, enquanto a tradição alemã parece que é quem agora se enrubesce com a identificação.
Por certo que as dificuldades impostas pela Alemanha apara a aquisição da cidadania foi um forte fator de distanciamento, sobretudo quando se compara e se descobre a diferença de comportamento da Itália, que facilita e atrai descendentes de até terceiro grau. Por outro lado, enquanto a Itália multiplica o envio de corais, orquestras, grupos de dança, mandatários municipais – aproximando cidades que se tornam “irmãs” etc – a Alemanha como que vira as costas para o continente latino-americano ao qual já esteve tão ligada, bastando lembrar expedições como a de Spix e de von Martius ou a presença de Humboldt, cujas influências são incontestes e definitivas. A Alemanha, depois da queda do Muro de Berlim, como que só tem força para a reconquista dos filhos pródigos da Alemanha Oriental, além de continuar com políticas de atração na Ásia e na África, de escassos resultados, pelo enorme distanciamento cultural. Na América Latina, ao contrário, do México ao Brasil, passando pelo Peru, dentre outros países – Argentina, Uruguai e Paraguai, além do Chile – guardam populações germânicas que ajudam na aproximação, que criaram um imaginário que supera em muito qualquer investimento que a Alemanha pudesse vir a fazer, mas que precisa ser apoiado e mantido, sob pena de dissolver-se.
Já foram mais fortes as relações entre as duas literaturas, a música e as artes plásticas, hoje quase abandonadas. Uma feira de livros como a de Frankfurt deveria estar necessariamente presente na feira de Porto Alegre, a maior do país, não para vender títulos a serem traduzidos, mas para promover a cultura e a imagem germânica, em especial quando vai se comemorar uma data significativa como essa de 2004, dos 180 anos da imigração alemã no Brasil.
Enquanto minguam os centros culturais ligados aos alemães, como os tradicionais “Centros de Cultura Alemã” ou “Centros Culturais 25 de Julho” de Porto Alegre e Erechim, únicos remanescentes(?) daquele movimento, crescem os institutos de cultura italiana com nomes como “Dante Alighieri”.
Já assisti a fenômeno semelhante em relação à cultura francesa, cujos responsáveis não souberam valorizar os Centros Franco-Brasileiros que respondiam pelas Alianças Francesas do país, hoje praticamente desaparecidas.
Depois de iniciado o retrocesso, dificilmente ele pode ser contido ou recuperado, motivo pelo qual preocupa-me o aparente descaso que as autoridades alemãs apresentam em relação à sua presença entre nós. Como descendente de alemães (austríacos), ainda que em quarta geração, tenho orgulho de tal fato e não gostaria de me sentir isolado, órfão ou algo semelhante por ausência ou omissão daqueles que representam o país de onde meus ancestrais vieram e cuja cultura – leia-se, em especial os valores de civilização – procuro seguir fortemente.
Porto Alegre, abril de 2003.
* Antônio Hohlfeldt é doutor em Letras pela UFRGS, autor de ensaios sobre Literatura e Teoria da Comunicação, Prof. de Letras na PUCRS e atual Vice-Governador do Estado do Rio Grande do Sul.